Ein kurzer Blick in den Rückspiegel:

Ein halbes Jahr Kulturhauptstadttitel und Kulturkirche 2025

von Holger Bartsch

Noch gut in Erinnerung ist uns allen der Auftaktgottesdienst der Kulturkirche 2025 in der St. Petrikirche Chemnitz mit 850 Besuchern am Vorabend des 1.Advents 2024. Er machte allen richtig Mut und Freude für die kommenden Programme.

Seit Anfang des Jahres 2025 bringen Rundfunkgottesdienste das Kulturhauptstadtmotto zu bundesweiter Bekanntheit. Wir freuen uns über diese eher unvorhergesehene Entwicklung. Die Europäischen Bergpredigten und Bergreden haben u.a. zu mehr Kontakten über die Grenze nach Tschechien geführt.

Wir sind im März mit dem Mega-Chor zum Martin-Luther-King Musical in die Öffentlichkeit getreten und konnten Menschen über unterschiedliche weltanschauliche Prägungen hinweg zusammenführen. Beim großen C-Festival zu Pfingsten waren arabisch und persisch sprechende junge Menschen selbstverständlich dabei. Sie wiederum haben Kontakt in und Verständnis für ihre muttersprachlichen Gemeinschaften, worin wir viel Potential für Integration spüren.

Die künstlerischen Interventionen in Kirchen bearbeiten öffentlich die Verbindung von Spiritualität, Gesellschaft, Kunst, Kirche und Evangelium. Dabei waren die Interventionen zur Passion bereits das dritte Mal zeitlich auf die Passionszeit beschränkt. Die Neoninstallation GOOD GOD (Via Lewandowsky) an der Chemnitzer Schloßkirche, Petrified Wood Circle (Richard Long) im Kreuzgang des Freiberger Doms oder die Kunstinstallation von Rebecca Horn in der Lößnitzer Kunst- und Pilgerkirche, die sich zum Publikumsliebling der Kulturhauptstadtregion entwickelt hat, wirken noch das ganze Jahr. Über das Jahr 2025 hinaus werden Engel und Bergmann in der Interpretation von Christina Doll an drei kirchlichen und einem kommunalen Standort an das Kulturhauptstadtjahr 2025 erinnern.

Wir haben das Potential des Purple Path entdeckt. Er verwebt die vielen Geschichten unserer gesellschaftlichen Wurzeln mit Impulsen von außen zu einem Gesamtbild für eine europäische Sichtbarkeit und holt somit Wertschätzung ins Land. Zu diesem Wir-Gefühl gehören auch die Kirchen mit ihrem Evangelium.

Gesprächs- und Zeitzeugenformate wie „Sprechen zwischen den Stühlen“ und „Unternehmerbiografien 1972“ waren eher kleinere aber bewegende Veranstaltungen mit einem Nachhall für eine versöhnliche Erinnerungskultur, in die wir weiter investieren.

In vielen Gemeinden hat ein Aneignungsprozess der Impulse des Kulturhauptstadttitels – vermittelt durch die Kulturkirche – begonnen. Die Kräfte von Evangelium, kirchlicher Gemeinschaft und bedeutender Kulturträgerschaft für eine ausdifferenzierte individualisierte Gesellschaft werden dabei entdeckt und verhandelt.
Beispielhaft für diesen Aneignungsprozess in Gemeinden sei die Bonhoeffer Kirchgemeinde im Chemnitzer Fritz-Heckert Wohngebiet erwähnt. Mit der Ausstellung „Bonhoeffer in Harlem“ im ersten Quartal hat sie sich auf eine von der Kulturhauptstadt kuratierte Ausstellung eingelassen und einen neuen Zugang zu ihrem Namensgeber erlebt. Das Thema Antirassismus floss durch die aktive Mitwirkung im Chor des Martin Luther King-Musicals in Gemeindeveranstaltungen mit ein. Die Gemeinde gewann ein Mikroprojekt der Stadt für die Gestaltung ihres Außenbereiches, und an den Tagen der Spirituellen Orte beteiligte sie sich mit einer besonderen Lichtinszenierung von jungen Erwachsenen. Weitere Initiativen wie die Arche-Beete kommen wie selbstverständlich hinzu.

Weitere Beispiele sind neben der Lößnitzer Kirchgemeinde auch die Chemnitzer Christuskirchgemeinde mit ihrer Ausstellung „Ich BIN`s“ oder die St. Antoniusgemeinde mit ihrer Ausstellung zu Max Bochmann. Die St.-Petri-Schloßkirchgemeinde hat ihre Kirche am Theaterplatz mit ehrenamtlichen Kräften regelmäßig geöffnet. Und die St. Jakobikirche bietet dem Chemnitzer Künstlerbund eine wunderbar zentrale Ausstellungsmöglichkeit. Die Elterleiner Kirchgemeinde mit einem engagierten Gemeindeglied das beständig wachsende Samstagspilgern ins Leben gerufen. Diese Aufzählung ließe sich leicht noch weiter fortsetzen.

Mit dem Europäischen Friedensläuten am 9. Mai und dem Projektaufbau „Orgelklänge am Purple Path“ für das 2. Halbjahr 2025 rückten wir zwei wichtige Kulturgüter unseres Landes ins Licht. Und zusammen mit der Anmeldung zum Chorfestival beim großen Kulturkirchenfest am 30. und 31.8.25 sind weit über die Hälfte aller Gemeinden der Europäischen Kulturhaupstadtregion mit der Kulturkirchen-Bewegung in Berührung gekommen.

Mit einem Blick auf das gesamte sehr breite Kulturhauptstadtprogramm von dem die Kulturkirche ja nur ein kleiner aber wichtiger Teil ist, hoffe ich auf weitere Begegnungen über weltanschauliche, kulturelle oder soziale Grenzen hinweg.

Ein Rückblick von Pfarrer Bartsch ist auch im „Sonntag Sachsen“ erschienen. Hier geht’s zum Artikel.